/// IM AUFBAU ///

 

DIE ERSTE ERKLÄRUNG

Ich strebe Unvollkommenheit an.
Ich verehre Improvisation.
Ich glaube an Gemeinschaft.

WARUM ES MIR SCHWERFÄLLT, MICH ALS ARCHITEKT ZU BEZEICHNEN

Als 1933 auf dem vierten „Congrès International d’Architecture Moderne“ die berühmte Charta von Athen verabschiedet wurde, setzte sich die Modernität in Städtebau und Architektur endgültig durch. Mit den Konsequenzen dieser Entscheidung einer Gruppe von Gestaltern müssen wir und höchstwahrscheinlich auch unsere Nachfolger weiter leben. Im Schatten der Moderne und der kapitalistischen Ideologie von Fortschritt und Individualismus hat sich der Fetischismus des „Fertigen“ zu einer Denkfigur entwickelt, die die Baukultur „entmenschlicht“ hat und das „Unfertige“ verworfen hat. Die Unvollkommenheit galt als etwas Unreines. Der Reinigungsprozess der Moderne trennte die Technik vom Menschen, den Gott von der Gesellschaft und zeichnete gradlinige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen vor. Der moderne Mensch agiert in der Logik „Problem-Lösung“. Der Bindestrich zwischen diesen zwei Wörter wird so kurz wie möglich gestaltet. Im Fokus steht das Ergebnis, nicht der Prozess.

Relativ früh meldeten sich die Gegner der Moderne in verschiedenen Disziplinen zum Wort. In Musik ließ John Cage die Musiker seine „offenen Partituren“ in live Aufführungen zu improvisierten Musikstücken interpretieren, die Situationisten holten den Mensch und sein momentanes Befinden wieder ins Augenmerk zurück, Lucius Burckhardt machte mit seiner Promenadologie auf unsere Wahrnehmung aufmerksam, Jane Jacobs war in ihrer Kritik der modernen amerikanischen Stadt ganz explicit, Kevin Lynch leitete ganze Stadtbilder von der Wahrnehmung ihrer Bewohner ab, der Kölner Dom stand Jahrhunderte unvollendet.

Der herkömmliche Architekt wird als Gestalter definiert. Er schafft über das Bauen Architektur. Er strebt die Vollkommenheit, das „Fertige“ an. Ich kann mich mit diesem eingeschränkten Bild nicht identifizieren.

WAS FÜR MICH DIE ARCHITEKTUR (AUS)MACHT

Auf der Suche nach meinem persönlichen Sinn des Berufes bau(t)e ich das architektonische Gedankengebäude auf diversen nicht-architektonischen und halb-architektonischen Fundamenten auf. Ich sehe mich als Moderator der schon stattfindenden Prozessen. Meine Rolle in der Gestaltung unserer Lebensräume ist therapeutisch und meine Aufgabe ist, die vorhandene Qualität zu identifizieren und sorgfältig zu ergänzen. Der Planungsprozess verliert an Linearität und wird zu einem Gefüge von Bewegungen in viele Richtungen, Umwandlungen und Sackgassen. Das Ziel ist offen und ist in seiner Beschaffenheit mannigfaltig. Ein Ort, eine Aufgabe, wird als eine Ontologie verstanden. Ein Zusammenspiel von Akteuren und Beziehungen diverser Art, die sich in Raum und Zeit aufspannen.

Diese Denkfigur resultiert in Prinzipien auf der persönlichen, sich unablässig selbstreflektierenden Ebene der Methode, als auch auf der Ebene des angestrebten Zieles, bzw. der inhaltlichen Ausrichtung, der Intention. Mein erstes Projekt dieser Art war der Transitionmaker. Als Ausgangspunkt wurde der Ort festgelegt. Mehr nichts. Die Aufgabenstellung, die Art der Interaktion mit den Gegebenheiten und daraus resultierte Schlussfolgerungen waren Bestandteil des Projektes. Die grundsätzliche Frage nach meiner Rolle des Planers rückte ins Vordergrund und musste ständig revidiert werden. Das Ergebnis des Projektes stellte daher nicht nur einen Mehrwert für den Standort dar, sondern beinhaltete außerdem eine Bereicherung in Form eines Lernprozesses für mich selbst. Mit der Abschlussarbeit Transitionmaker 2.0 entwickelte ich die inhaltlichen und methodischen Ansätze zu einem konkreten Planungsinstrument.

Die Zeitlichkeit und Prozesshaftigkeit des Planungsprozesses ist ein selbstverständlicher Bestandteil der alltäglichen Praxis im Büro Urban Catalyst. Unabhängig vom Maßstab (von einem punktuellen Eingriff bis zu Strategien für gesamte Regionen) ist die Idee der zeitlichen Staffelung in der DNA jedes Projektes. Die Transformation der Räume als auch das Denken über die Transformation wird als Prozess verstanden und als solcher auch dargestellt. Bei einer multilateralen Kommunikation vieler Akteure ist Zeit die wichtigste Ware.

Das englische Architekturbüro Assemble verkörpert die Prinzipien des gemeinschaftsorientierten Planens und Bauens und gleichzeitig agiert mit den vorhandenen Gegebenheiten auf eine sorgfältige und sensibel Art und Weise um. Ihre smarte Lösungen werten ganze Viertel in den englischen Vorstädte auf und sorgen für Bildung von neuen Synergien in Form von Gemeinschaften und lokalen Wirtschaften. Sie Schaffen es, die betroffenen Menschen von Anfang an in den Transitionprozess einzubeziehen, sie mitgestalten zu lassen, um am Ende das von den Bewohner selbst verwaltete und teilweise getragene Projekt zu verlassen. Die Kluft zwischen dem Planer und dem Nutzer reduziert sich in ihrem Fall auf Minimum.

Eine prozesshafte Transition, Gemeinschaftsbildung und ergebnisoffene Zukunftsvision eines Raumes einem selbstverwalteten Projektraum in Berlin eigen. Die informelle low-cost Umwandlung des Raumes fand ohne einen Planer statt und verfolgt(e) das Prinzip der Improvisation. Der Koch und Performanceartist Pepe Dayaw baute um seine Kochevents ein Netzwerk von Menschen auf, die aus einem üblichen Berliner Lokalraum Sari-Sari – einen Raum „vieler Dinge“- gemacht haben. Durch diverse Inhalte entstand in der Zeit eine Ansammlung von Requisiten, die es ermöglichen, den Raum auf verschiedene Arten und Weisen zu nutzen: als Kinosaal, als Tanzstudio, ein Ausstellungsraum und vieles anderes. Das entstandene „Wohnzimmerambiente“ sorgt für die besten Voraussetzungen für ein Zusammenkommen.

Die Temporalität der Interventionen im öffentlichen Raum dient mehreren Zwecken. Zum Einen können zukunftsweisende Ideen in einem kleineren Maßstab und mit geringerem Aufwand getestet werden, zum Anderen verändert der Eingriff in das Gewohnte die Wahrnehmung in unserer Köpfe. StiftungFREIZEIT entwickelt seit mehreren Jahren die Kunst der Intervention. Die Mitglieder des Berliner Büros streben in ihren Projekten keine Vollkommenheit an. Sie verstehen ihre Arbeit als „Räume auf Zeit“.

Die angegebene Liste der Projekte, Architekten und Orte, in Form eines wachsenden Netzwerkes ist nicht ausführlich wiedergegeben. Sie stellt eine der wichtigsten Ressourcen für meine Auseinandersetzung mit einer Aufgabe dar.  

WIE ARBEITE ICH

Die bisherige Auseinandersetzung mit dem Erlernen und Praktizieren von Architektur kristallisierte in eine Drei-Schritte-Methode heraus:

Eintauchen

/// alles an sich zukommen lassen, Bestand, das Vorhandene als Ressour ce, die Vergangenheit und Gegenwart im Fokus nicht die Zukunft, Improvisation, Fehler und Sackgassen zulassen, identifizieren, sich überraaschen lassen, Dinge sehen, wie die sind; man könnte sagen, hier fehlt die soziale Komponente, aber die ist automatisch inbegriffen, weil der Fokus an einer „Totalität“ liegt; Referenzen: A-N-T, Situationisten, Sozialgeographie, Onthologie als die „Totale“ Wirklichkeit, die Vollkommenheit ///

Verstehen

/// sortieren, kategorisieren, orioritisieren, inkludieren und konkludieren, mind maps, Kartierungen; visualisieren; ein ständiger Austausch Gedanke <= > Form; Referenzen: kritische Kartografie, Design Thinking///

Ergänzen

/// entwerfen, ergänzen, anknüpfen, zufügen; Referenzen: Utopie des Kollektives, Offene Partitur, minimaler Eingriff///

ARCHITEKT VS. ARCHITEKT-ARCHITEKT

/// Meine Vision als Ergänzung, nicht Negation; meine Antwort auf die Frage der Anleitung (Was eigentlich das Wort „Architekt“ bedeutet) als Resultät dieses Denkgebäude, Ergebnis von 10 Jahre Denken und Versuchen, sich dem „modernen“ Bild des Architekten zu entziehen; es ist wie religiös ohne Kirche sein; ich glaube daran, dass die modernistische Sicht eine unvollkommene, daher ist meine Sicht nur die andere Seite, eine Ergänzung, nicht Alternative ///